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02/23/2023 12:44pm

Der Fluss in „Katja Kabanova“

Regisseurin Anika Rutkofsky, Alumna der Akademie Musiktheater heute und Gewinnerin des Ring Awards 2021, über den Fluss – die Wolga – als Teil ihrer Inszenierung von Leoš Janáčeks Oper „Katja Kabanova“. 

Regisseurin Anika Rutkofsky, Alumna der Akademie Musiktheater heute und Gewinnerin des Ring Awards 2021, über den Fluss – die Wolga – als Teil ihrer Inszenierung von Leoš Janáčeks Oper Katja Kabanova.

 

„Unsere Bühne bildet die Wolga nicht naturalistisch ab. Die Inszenierung spielt in einer Petersburger Kirche, die in der Sowjetzeit zu einem Schwimmbad umfunktioniert und nach dem Fall der UdSSR rückgebaut wurde: Das Sprungbrett ist wieder ein Altar, im Becken stehen Sportbänke für die Gemeinde. Die Spuren der Überschreibung bleiben jedoch sichtbar. Es ist eine opportunistische Gesellschaft, die an das eine geglaubt hat und sich dann plötzlich an ein neues System anpassen muss. Was die Hierarchien und Machtpositionen betrifft, bleibt alles beim Alten. Wer vorher Bademeister war, wird jetzt wieder Priester,
die Mesnerin war kurzzeitig Ticketverkäuferin, die Badegäste kommen nun zum Beten. Katja kommt mit dieser Scheinheiligkeit nicht klar, die mit „Tradition“ nur eine leere Nostalgie meint. Die Wasserflecken an den Wänden stehen in Verbindung mit dem deutlich hörbaren, aber kollektiv unterdrückten symphonischen Fluss. Wir interpretieren die Wolga als subjektiv treibende Kraft im Inneren der Hauptfigur, denn dieser ausgetrocknete Ort passt gar nicht zu Katja. Sie ist eigentlich eine sehr leidenschaftliche Frau, aber völlig eingezwängt in der ihr zugewiesenen gesellschaftlichen Rolle. Wahrscheinlich wurde sie verheiratet, bevor sie wusste, was es heißt, Liebe zu empfinden und sexuelle Lust zu erfahren. In ihrem Eheleben kann sie ihre Bedürfnisse nicht ausleben, sodass sie irgendwann wie eine Naturgewalt aus ihr herausbrechen. Dieser Kontrollverlust ist ihr extrem unheimlich, denn sie ist streng gläubig erzogen.
Am Ende kann sie den Druck von innen und von außen nicht mehr aushalten und entscheidet sich für den Tod in der Wolga. Dieser Entschluss macht ihr keine Angst, sondern ist eher wie eine Heimkehr. Wie die literarischen Figuren der Undine oder Melusine findet sie die ewige Ruhe im Element des Weiblich- Zyklischen.“ Anika Rutkofsky

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02/16/2023 10:41am

Auf den Spuren alter Erzählungen und Volkstraditionen.
Ein Interview von Bernd Krispin mit Anna Brull

Im „Carmen“-Ballett von Beate Vollack erklingt selbstverständlich viel Musik von Georges Bizet. Hinzu kommen Werke von Emmanuel Chabrier und auch von Manuel de Falla. Letzterer ist mit den „Siete canciones populares españolas“ („Sieben spanische Volkslieder“) vertreten, die von Anna Brull (bzw. von Andżelika Wiśniewska) interpretiert werden. Über die Bedeutung dieser Lieder hat sich Anna Brull mit Dramaturg Bernd Krispin ausgetauscht:

Im „Carmen“-Ballett von Beate Vollack erklingt selbstverständlich viel Musik von Georges Bizet. Hinzu kommen Werke von Emmanuel Chabrier und auch von Manuel de Falla. Letzterer ist mit den „Siete canciones populares españolas“ („Sieben spanische Volkslieder“) vertreten, die von Anna Brull (bzw. von Andżelika Wiśniewska) interpretiert werden. Über die Bedeutung dieser Lieder hat sich Anna Brull mit Dramaturg Bernd Krispin ausgetauscht:

 

Was macht das Unver­wechselbare seiner Musik aus, dass Manuel de Falla auch heute noch zu den wichtigsten spanischen Komponisten zählt?

Anna Brull  Ich denke, dass die Verbindung zwischen der Volks­musiktradition Südspaniens und der raffiniertesten euro­päischen Musiksprache seiner Zeit ihn so unverwechselbar macht.

 

Um zu seinen eigenen Aus­drucksmöglichkeiten zu kommen, musste Manuel de Falla Spanien verlassen, denn erst in Paris hat er zu sich  selbst  gefunden.  Um sich in politisch angespann­ ten Zeiten nicht instrumen­ talisieren zu lassen, musste er nach Argentinien aus­ wandern. Hat diese Bereit­ schaft zum Aufbruch, zum Weggehen ihre Spuren in seiner Musik hinterlassen?

Anna Brull So vereinfacht lässt sich das nicht sagen. Dass er Spanien verlassen hat, hat keinen Einfluss auf seine Musiksprache gehabt. Vielmehr wollte er sich in Paris mit den neuesten Strömungen der Musik vertraut machen, wollte sie aus nächster Nähe erleben, da diese Avantgarde damals in Spanien noch nicht zu hören war. Und warum er jetzt wirklich Spanien verlassen hat, um nach Argentinien auszuwandern, ist nicht restlos geklärt. So meine ich, dass die Tatsache, dass er seine Heimat verlassen hat, nicht wirklich Einfluss auf ihn gehabt hat, denn er hat bereits in seiner ersten Phase in Mad­rid zu seinem klar erkennbaren Stil gefunden.

 

In den „Siete canciones populares españolas“, in den „Sieben spanischen Volks­ liedern“, nimmt uns de Falla auf eine Reise durch Spanien und durch die Emo­ tionen mit. Welche Gefühle schildern diese vokalen Miniaturen? Und in welche Regionen Spaniens geht die musikalische Reise?

Anna Brull Diese Reise durch Spanien hat ihren Beginn, aber auch ihren Endpunkt in Andalusien. Dazwischen geht es nach Murcia, Asturien und Aragón. Jedes Lied hat seine Emotion, sein eigenes Gefühl, was von der für die jeweilige Region typischen Folklore geprägt ist. So hört man im vierten Lied den typischen Rhythmus der „Jota arago­nesa“, eines Volkstanzes, zu dem zuweilen auch gesungen wird. In diesem Volkstanz hält sich die Begleitung sparsam zurück, sodass es dem Sänger möglich ist, sich frei zu ent­falten und nach seinen eige­nen Worten zu suchen. Das Improvisatorische des Tanzes hat seine hörbaren Spuren bei de Falla hinterlassen. Als Kind habe ich die „Jota aragones“ selbst bei Volksfesten erlebt, und dieses Lied ist auch mein Lieblingslied in diesem Zyklus, weil seine Stimmung so positiv ist. Die letzte Nummer wieder­ um ist vom „Cante jondo“ ge­ prägt. Die Melismen, die de Falla für die Gesangsstimme schreibt, sind beeinflusst vom charakteristischen Gesangs­stil, der den „Cante jondo“ auszeichnet.

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02/14/2023 3:47pm

In Erinnerung an Friedrich Cerha
* 17. Februar 1926 in Wien
† 14. Februar 2023 in Wien

Wenige Tage vor seinem 97. Geburtstag ist in seiner Heimatstadt Wien eine der bedeutendsten österreichischen Musikerpersönlichkeiten des 20. und 21. Jahrhunderts verstorben: Friedrich Cerha.

Wenige Tage vor seinem 97. Geburtstag ist in seiner Heimatstadt Wien eine der bedeutendsten österreichischen Musikerpersönlichkeiten des 20. und 21. Jahrhunderts verstorben: Friedrich Cerha.

In zweifacher Hinsicht ist die Geschichte der Oper Graz mit dem Komponisten, Dirigenten und Kompositionsprofessor in bedeutsamer Weise verbunden: Am 17. Oktober 1981 dirigierte Friedrich Cerha die von ihm rekonstruierte dreiaktige Version von Alban Bergs „Lulu“ als österreichische Erstaufführung. Sechs Jahre später war die Oper Graz Schauplatz der Uraufführung seiner zweiten Oper, „Der Rattenfänger“. Am 26. September 1987 stand Friedrich Cerha selbst am Pulte der Grazer Philharmoniker, um seine bewegende Zuckmayer-Adaption zu leiten.

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02/14/2023 10:50am

„Siete canciones populares españolas“ („Sieben spanische Volkslieder“)

In der Ballettproduktion „Carmen“ erklingen „Siete canciones populares españolas“ von Manuel de Falla. Gesungen werden sie abwechselnd von Anna Brull und Andżelika Wiśniewska

Hier finden Sie die deutschen Texte:

Hier finden Sie die deutschen Texte der „Siete canciones populares españolas“

 

Das maurische Tuch
Das feine Tuch im Laden
hat einen Fleck.
Es muss billiger verkauft werden,
da es seinen Wert verloren hat. Ach!

 

Seguidilla aus Murcia
Wer auch immer
im Glashaus sitzt,
sollte nicht nach anderen
mit Steinen werfen.
Wir sind Maultiertreiber.
Es kann gut sein, dass wir uns auf dem Weg begegnen!

 

Deine Unbeständigkeit
vergleiche ich mit der Peseta, die von
Hand zu Hand gleitet.
Wenn sie abgegriffen ist,
hält sie jeder für falsch,
und keiner nimmt sie mehr!

 

Asturisches Lied
Ich suchte Trost
und trat unter eine grüne Pinie
und hoffte auf ihren Trost.

Als sie mich weinen sah,
weinte sie. Und die Pinie, die so grün war,
weinte, als sie mich weinen sah!

 

Jota
Keiner glaubt, dass wir uns lieben,
weil wir es beide verschweigen.
Aber dein und mein Herz
könnten es ihnen sagen.

 

Nun muss ich mich von dir verabschieden,
von deinem Haus und Fenster.
Ob es deine Mutter erlaubt oder nicht,
leb wohl, meine Kleine, bis morgen!

 

Wiegenlied
Schlafe, mein Kindchen, schlaf’ ein,
schlafe, mein Herzchen,
schlafe, lieblicher Stern
des hellen Morgens.
Schlafe, schlaf’ ein.

 

Lied
Wie falsch deine Augen sind!
Ich will sie vergessen.
Weißt du, was es mich kostet,
„nur ruhig“ meine Liebe, dir in die Augen zu sehen?
„Mutter, steh mir bei!“
Dir in die Augen zu sehen? „Mutter!“

 

Man sagt, dass du mich nicht liebst,
und doch hast du mich geliebt …
Was ich früher gewonnen, ist mehr wert,
„nur ruhig“, als was ich jetzt verliere.
„Mutter, steh mir bei!“,
als was ich jetzt verliere. „Mutter!“

 

Polo
„Ach!“ Ich trage einen, „Ach!“
ich trage einen Kummer im Herzen,
„Ach!“ den ich niemand gestehe!

 

Verflucht sei die Liebe, verflucht! „Ach!“
Und der sie mich fühlen ließ! „Ach!“

 

Deutsche Texte von Heidi Fritz

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