Explosive Kräfte – Drei Fragen an Dirk Kaftan
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Es liegen 27 Jahre und ein Weltkrieg zwischen den beiden Uraufführungen – was vereint, trennt sie?
Zemlinskys „Zwerg“ ist musikalisch eine Art historische Zeitreise: Die romantische Märchenwelt des Anfangs schimmert und glitzert, die Musik ist durch und durch geprägt von den Idiomen des 19. Jahrhunderts … Aber etwas stimmt nicht, etwas klingt falsch und unwahr in der Welt der Prinzessin! Auch die musikalische Ausdruckswelt des Zwergs ist geprägt von Phantasien über eine glückliche Vergangenheit, die guten alten Zeiten. Durch das Zusammentreffen der beiden und ihr Annähern an den Spiegel verändert sich die Musik, die Leitmotive werden dichter, das Innenleben komplexer, wahrhaftiger. Mit dem Aufschrei des Zwerg bricht ein Chaos herein, dass mit dem Ende von Ravels „La Valse“ vergleichbar ist: Wir sind aus den äußerlichen Träumen der Vergangenheit in der Realität des 20. Jahrhunderts angekommen. Das Thema „Freiheit“ wird hier tönende Erfahrung und somit direkte Überleitung in die Musik des 20. Jahrhunderts, hin zur Atonalität, somit auch zu Dallapiccola.
Welche Sprache, Farben wählt Alexander Zemlinsky um seine Geschichte zum Klingen, Schweben, Erregen zu bringen?
Abgesehen vom Geflecht der Themen und Harmonien lässt Zemlinsky die Instrumentation sprechen. Er schafft eine Musik, die auf dem Klavier nicht mehr darstellbar ist: Die äußerliche Welt der Prinzessin ist geprägt von Klischees, auch von exotischem Kitsch; Grelle, glitzernde Farben der Instrumente dringen ans Ohr, man ergötzt sich, wird aber nicht berührt. Im Verlauf gewinnen die Mittelstimmen an Bedeutung. Die „echte“ Gefühlswelt von Zwerg und Prinzessin wird gezeichnet durch ein regelrechtes Umstülpen des Orchesterklanges.
Und Luigi Dallapiccola?
Dallapiccolas Verwendung der Zwölftonmusik zeigt den schwierigen und zum Teil paradoxen Umgang der modernen Menschheit mit dem Thema „Freiheit“. Kaum ist die Tonalität überwunden, bedarf es eines strengen Regelwerkes, um die musikalischen Kräfte im Zaum zu halten. Dallapiccolas Kunst besteht darin, immer wieder die strikten Regeln der Zwölftonmusik zu durchbrechen. Tonale Chöre als Symbol des Glaubens klingen aus der Ferne … Sie sind Reibungsflächen der Hoffnung und des Glaubens auf dem Weg zur Freiheit, mal apokalyptisch höhnend, mal unerschütterlich tröstend. Auch wenn in der äußeren Handlung des Stückes die Hoffnung ein Trugschluss ist, empfinde ich das Ende durchaus ambivalent: Der Gefangene ist einen Weg der Freiheit, der inneren Befreiung gegangen, er hat sich „befreit“ und der Tod kann ihm das nicht nehmen.
Ab 14. Juni wird die Studiobühne zum Schauplatz für jungen, aufregenden, stilistisch vielfältigen Tanz, denn in sechs kurzen Stücken erarbeiten Mitglieder des Balletts der Oper Graz mit Kolleg:innen zutiefst persönliche Einblicke in ihr Leben, Denken und Fühlen.
Am 14. Juni (ein zweites Mal am 22. Juni) geht Robert Schumanns Komposition „Szenen aus Goethes ‚Faust’“ in einer konzertanten Produktion mit zahlreichen Solist:innen über die Opernbühne. Roland Kluttig steht am Pult der Grazer Philharmoniker.
Mit diesem Konzert erfüllt sich Chefdirigent Roland Kluttig einen Herzenswunsch zum Abschied aus der Oper Graz. Mit den Grazer Philharmonikern und Ensemblemitglied Mareike Jankowski.