Don Carlo
Oper in vier Akten ~ Libretto von Joseph Méry und Camille du Locle nach Friedrich Schillers dramatischem Gedicht ~ Uraufführung der italienischen Fassung am 10. Jänner 1884 in Mailand
In italienischer Sprache mit deutschen Übertiteln
Empfohlen ab 14 Jahren
Content
Ist es denn möglich, in einer Welt – in der private Schatullen aufgebrochen, Briefe konfisziert werden, in der Menschen sich unter Schleiern verbergen und anderen den schützenden Schleier von der Seele reißen, in der sich kaum jemand traut, ohne den Schutz der Verkleidung, ohne die sprachliche Maskerade einander zu begegnen – wahrhaft zu lieben oder geliebt zu werden? Don Carlo liebt Elisabeth. Elisabeth ist mit Carlos Vater verheiratet. Eboli liebt Carlo und ist doch die Geliebte des Königs. Den rettenden Halt findet Carlos Herz schließlich in den revolutionären Gedanken seines Freundes Posa, und er realisiert doch zu spät, dass es keinen Ausweg geben kann … Dieses System der Kontrolle, das jeden Einzelnen dazu zwingt, mit gespaltener Identität zwischen Schein und Wahrheit zu leben, übernimmt und radikalisiert Verdi in seiner Komposition: Aus einem fast verlogenen Konversationston des Hofes bricht die individuelle emotionale Situation der Figuren durch, strahlendes Des-Dur verspricht eine leuchtende Zukunft, bevor kurz darauf die düsteren Klänge der Inquisition den nahenden Tod vorhersagen.
Die umjubelte Produktion aus der Spielzeit 2019/20 kehrt unter der musikalischen Leitung von Chefdirigent
Roland Kluttig zurück auf den Spielplan und entführt erneut in die düsteren Geheimnisse einer Familie und deren Machenschaften: „Se dorme il prence, veglia il traditore“ („Wenn der König schläft, wacht der Verräter.“)
Besetzung
„Oksana Lyniv zeichnete die dunkle Struktur des Werkes – gespielt wird die vieraktige italienische Fassung – präzise nach und lässt in mehr als einen Abgrund blicken. Selten hat man das Duett Carlos-Posa so packend gehört, nicht als reinen Schöngesang, sondern tatsächlich als beinharten Schwur. Dieses Thema wird dann beim angeblichen Verrat des Marquis so zart angespielt, dass man den ganzen Schmerz über die verlorene Freundschaft darin zu spüren glaubt. Großartig auch die drohenden Töne, die die bestens disponierten Philharmoniker anschlagen, wenn Posa dem König vor Augen hält, dass er das Land in ein Grab verwandelt. So hohl polternd hörte sich das an, dass die Worte doppelt schwer wogen. Philipps große Arie ist immer Höhepunkt, wenn hier seine Geliebte ihn zärtlich tröstet, weil er sich von seiner Frau nie geliebt gefühlt hat, bekommt das eine neue Dimension von Traurigkeit. (…) . Ein lohnender Abend, der musikalische Spitzenleistungen mit solider Regie vereinte.“
APA Graz
„Mit Verdis „Don Carlo“ in der Regie von Jetske Mijnssen und unter der mitreißenden Stabführung Oksana Lynivs startete die Oper fulminant in die Saison 19/20. Ein ausgezeichnetes Ensemble gibt dem Abend voller großer Gefühle in steifen Kostümen, engen Räumen und noch engeren Konventionen zusätzlich Klasse. (…) (Ein) Opernabend zum Mitfiebern, Mitfühlen und Mitleiden.“
Kronen Zeitung
„Eine für die eindringliche Musik und die zurückgenommene, aber treffgenaue Regie viel bejubelte Produktion, mit der die Oper Graz mit breiter Brust in die Saison gehen kann.“
Kleine Zeitung
„Szenisch und musikalisch sehr gelungen: Giuseppe Verdis ‚Don Carlo‘ an der Oper in Graz. (…) Reich und intelligent durchdacht sind (Jetske Mijnssens) Ideen, mit feiner psychologischer Deutung und Zeichnung der tragischen Beziehungen der Figuren.“
Kurier
„Giuseppe Verdis „Don Carlo“ beeindruckt an der Grazer Oper als intimes Kammerspiel der zerstörten Beziehungen. (Die) Inszenierung am Grazer Opernhaus (gewährt) reichhaltige Einblicke in die Seelenkonflikte der Figuren (…) Das Orchester ist intensiv, prägnant und auch klangsensibel dabei.“
Der Standard
„Es sei gleich vorweg gesagt: das war eine großartige Saisoneröffnung und für mich eine der überzeugendsten Grazer Produktionen der letzten Jahre – da haben sich ausgezeichnete musikalische Leistungen mit einer konsequent-schlüssigen szenischen Umsetzung zu einem großartigen Ganzen zusammengefügt – Gratulation!“
Der Opernfreund
„In Graz entwickelt die stets psychologisch minutiös kalkulierende, den Menschen und ihren äußeren und inneren Konflikten zugewandte Regisseurin Jetske Mijnssen ein bedrückendes Kammerspiel gebrochener, zerstörter, orientierungsloser, vereister Seelen. Ein Zueinander oder Miteinander wird weitgehend ausgeblendet, man man redet und agiert auf sich allein gestellt durch Mauern und Türen.“
Salzburger Nachrichten
„(…) der mächtige, stimmlich beeindruckende Timo Riihonen (…) Prinzessin Eboli (Oksana Volkova, visuell wie stimmlich eine Erscheinung) (…) Isoliert bleiben letztlich alle, (…) – vor allem aber Elisabetta, die Gramgebeugte, von Aurelia Florian mit warmem Timbre ausgestattet (das die Sopranistin nicht zuletzt für ihr differenziert gesungenes ‚Tu che le vanità‘ mit Vorzug nützt). Oksana Lyniv am Pult der Grazer Philharmoniker bestärkt die Haltung unabänderlicher Hoffnungslosigkeit.
Opernwelt
„Mit der Premiere von Verdis Don Carlo (…) konnte die Oper Graz bei Presse und Publikum einen beachtlichen Erfolg verbuchen. Ein Besuch der Aufführung (…) bestätigt den guten Ruf, den sich die Neuinszenierung erworben hat. Das Regiekonzept von Jetske Mijussen geht voll auf. Die Holländerin nimmt das Libretto beim Wort und versucht erst gar nicht, die Handlung in eine andere Zeitepoche anzusiedeln oder sonst wie zu ‚aktualisieren‘. (…) Manches, was man an diesem Opernabend zu sehen bekommt, wirkt vollkommen neu und oft zunächst höchst ungewohnt, hängt aber damit zusammen, dass die Regisseurin sich sehr gründlich eingelesen hat. Letztlich ist für jede ihrer getroffenen Entscheidungen ausreichende Begründung im Libretto zu finden. (…) Timo Riihonnen verleiht der Figur des Königs mit seinem Bass die Aura des misstrauischen Machtmenschen, legt in seiner Darstellung aber auch die Brüche in seiner Persönlichkeit offen dar. (…) Eine starke Leistung als Rodrigo (Marquis de Posa) liefert Neven Crnic. Kraftvoll und entschlossen ist er breit sich für Don Carlo und die gemeinsam vertretenen Ideale von Freiheit und Gerechtigkeit zu opfern. Der ausdrucksstarke Bariton ist eine Hausbesetzung, die keine Wünsche offenlässt. (…) Der Chor (einstudiert von Bernhard Schneider) und die vielen Nebenrollen, u.a. von Tebaldo (Antonia Cosmina Stancu) über Graf Lerma (Albert Memeti) bis zur Stimme von oben (Eva-Maria Schmid), machen ihre Sache gut. Die Grazer Philharmoniker zeigen, dass sie exzellente Blechbläser in ihren Reihen haben, auch die Fagotte machen auf sich aufmerksam. Oksana Lyniv am Dirigentenpult lässt es ordentlich krachen, wenn etwa Rodrigo dem König vorwirft, eine „Freiheit des Grabes“ zu vertreten. (…) Fazit: Dieser Don Carlo ist eine Reise nach Graz wert.
Online-Merker
„Die Wirkung dieser Oper mit ihrem auf lineare Strukturen und grafische Elemente konzentrierten Bühnenbild, Stühlen und Wänden, mobilen Tischen ist emotional bewegend, mithin erschütternd: Das Publikum war mit einem Schlag entrückt vom Alltagsgeschehen und in einem Sog familiärer Abgründe und Komplotte. (…) Aufglimmendes Des-Dur verheißt eine leuchtende Zukunft, ehe gleich darauf die düsteren Klänge der Inquisition den drohenden Tod proklamieren. (…) Und die Choreografie sowie die visuelle Handschrift der vier Akte sind buchstäblich eindringlich, hypnotisch und atemberaubend. (…) Am Ende fühlt man sich nach 3 Stunden 15 Minuten zugleich berauscht und gefordert von so viel Glanz und Konflikten, Blut und Emotion.“
Living Culture
„Den geschaffenen Deutungsraum nutzt Dirigent Roland Kluttig für ein lebendiges Spiel seiner Grazer Philharmoniker, das intensiv bis in die letzten Seelen-ritzen und kleinsten Veränderungen bohrt. (…) Dimitri Ivashchenko verleiht mit seinem klangschönen, wandlungsfähigen Bass Philipp eine gepeinigte Note, ist aber im krachenden Duell mit dem Großinquisitor (gewaltig: Wilfried Zelinka) auch zu den nötigen Ausbrüchen fähig. Als ausdrucksstarke Elisabeth ist Aurelia Florian zurückgekehrt, auch Neven Crnić ist als Posa erneut eine Bank, der gemeinsam mit Carlo im erste Akt schon Glanzpunkte setzt. Der Titelheld ist mit Otar Jorjikia auch fabelhaft besetzt. Seine strahlenden, mühelosen Höhen sind der Gipfel einer (auch mit gut einstudiertem Chor) starken Ensembleleistung.“
Krone Zeitung
„Erstaunlich die vier „Grazer“ Stimmen. Neven Crnić stattet den Posa mit kultiviertem Bariton und schönem Legato aus, Wilfried Zelinka gelingt ein machtvoll düsteres Porträt als Inquisitor, Daeho Kim hat als Mönch genauso einen markanten Kurzauftritt wie Tetiana Miyus als Voce. Otar Jorjikia singt die Titelpartie mit feinem Chiaroscuro, dem spannenden Wechselspiel von Hell und Dunkel, wo die strahlende Höhe wie ein Lichtstrahl hervorbricht.“
Kleine Zeitung